spox.com: Das Abenteuer Metro

spox.com: Das Abenteuer Metro
15.11.2012

spox.com

Kevin Kuranyi spielt seit im Sommer 2010 für Dynamo Moskau. In seiner SPOX-Kolumne berichtet der 30-Jährige regelmäßig von seinen Erlebnissen im fernen Russland. Diesmal spricht Kuranyi über Wahnsinn im Untergrund und schickt Glückwünsche nach Gelsenkirchen.

Mir ist durchaus bewusst, dass Sinn und Zweck dieser Kolumne ist, dass ich euch ein wenig über mein Leben in Moskau und den russischen Fußball erzähle. Alles andere würde ja auch nur wenig Sinn ergeben - ist mir heute aber mal egal :-).

Ich breche die Regel an dieser Stelle und will kurz ein paar Glückwünsche nach Gelsenkirchen senden. Ich finde es überragend, was mein ehemaliger Klub Schalke zurzeit abliefert.

Platz 10 darf nicht der Anspruch sein

Da hat mein ehemaliger VfB-Mitspieler Horst Heldt zusammen mit Trainer Huub Stevens eine tolle Mannschaft zusammengestellt, die in dieser Saison ganz vorne mitmischen wird. Ob es schon reicht, um die Bayern zu gefährden, weiß ich nicht - aber ich denke, dass sich die Fans auch schon mal die Champions-League-Termine für die kommende Saison blocken sollten.

Davon sind wir bei Dynamo Moskau derzeit leider eine ganze Ecke entfernt. Nicht, weil es uns an Qualität fehlt - sondern, weil wir den Saisonstart komplett in den Sand gesetzt haben. Platz zehn nach 15 Spieltagen kann und darf nicht unser Anspruch sein.

7 der letzten 9 Spiele gewonnen

Die vergangenen Wochen haben aber Gott sei dank auch gezeigt, dass wir besser sind, als unser Tabellenplatz. Wir haben sieben der letzten neun Pflichtspiele gewonnen.

Und auch ich persönlich komme immer besser in Schwung. In den vergangenen vier Spielen habe ich dreimal getroffen und ein Tor vorbereitet. Was ich in einem Satz damit sagen will: So kann es weitergehen.

Zusammen mit einem Teil der Mannschaft habe ich zuletzt aber auch abseits des Platzes für Schlagzeilen gesorgt.

Unterwegs mit der Metro...

Der Grund: Wir waren mit der Moskauer Metro unterwegs, mein Sturmkollege Alexander Kokorin hat auch ein paar hübsche Beweisfotos auf Twitter veröffentlicht. Die Resonanz war überwältigend, wir waren tagelang Gesprächsthema in den Medien.

Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ich bin ein durchaus geübter Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel. Als ich mit 16 Jahren beim VfB Stuttgart anfing, bin ich täglich mit Bus und Bahn ins Training gependelt.

Das war zu Beginn nicht ganz einfach. Ich war gerade erst aus Brasilien gekommen, sprach kein Wort Deutsch - und schwäbische Busfahrer verstehe ich bis zum heutigen Tag nicht immer.

Ich werde wahnsinnig

Aber mit einer Fahrt mit der Moskauer Metro ist das nicht zu vergleichen. Es gibt bestimmt unzählige Mitteleuropäer, die in den kilometerlangen Untergrundgängen mit den kyrillischen Schriftzeichen tagelang verschollen waren. 

Aber: Das ist alles besser, als sich mit dem Auto einmal vom einen zum anderen Ende der Stadt durchzukämpfen. Ein typischer Anfängerfehler, den ich in meiner ersten Woche in Moskau begangen habe. Vier Stunden hin, vier Stunden zurück. Ich hab gedacht, ich werde wahnsinnig.

Deshalb war ich auch gleich dabei, als ein paar Mitspieler nach dem Besuch eines Kinderkrankenhauses vorgeschlagen haben, den Rückweg in der Hauptverkehrszeit nicht mit dem Mannschaftsbus, sondern mit der Metro anzutreten.

Unser Verteidiger Marko Lomic hat die Tickets spendiert, die russischen Kollegen haben den Guide gegeben - und ich habe darauf geachtet, sie nicht aus den Augen zu verlieren :-)

Konnten uns Sitzplätze ergattern

Eine Leistung, die in der Rush Hour übrigens nicht zu unterschätzen ist. In den Gängen herrschte ein ziemliches Gedränge, die Bahnen waren mehr als gut gefüllt. Aber das kann in Moskau niemandem die Laune verhageln, wir sind mit dem einen oder anderen Mitfahrenden auch richtig nett ins Gespräch gekommen. 

Und irgendwann landeten wir sogar den großen Coup: Als eine Menge Passagiere Richtung Ausgang strömten, konnten wir uns Sitzplätze ergattern! Die Freude währte jedoch nur kurz - genau so lange, bis ein junger Mann uns freundlich darauf aufmerksam machte, dass dieser Zug hier enden würde...

Aber das ist wie im Fußball: Du darfst dich von kleinen Rückschlägen nicht verrückt machen lassen. Jedenfalls kamen wir am Ende gut an unser Ziel. Gut - und vor allem schnell. Der Mannschaftsbus hatte mehr als doppelt so lange benötigt. Nicht das schlechteste Argument für die Metro.

Euer Kevin