RNZ: Kevin Kuranyi hat schon in Moskau von "Hoffe" geträumt

RNZ: Kevin Kuranyi hat schon in Moskau von "Hoffe" geträumt
03.08.2015

Rhein-Neckar-Zeitung

Kuranyi verrät im RNZ-Interview, warum er im Herbst seiner Karriere die richtige Entscheidung für sich getroffen hat.

Sinsheim. Kevin Kuranyi ist ein angenehmer Gesprächspartner. Der Stürmer mit den bisherigen Profi-Stationen VfB Stuttgart (2001 bis 2005), Schalke 04 (2005 bis 2010) und Dynamo Moskau (2010 bis 2015) hat viel erlebt. Bis zu seinem 16. Lebensjahr weilte er ausschließlich in Lateinamerika. Sein Vater stammt aus dem Schwabenländle und hat ungarische Wurzeln, seine Mutter ist Panamaerin. Kuranyi besitzt die brasilianische, panamaische und deutsche Staatsbürgerschaft. Nun hat der 1,90-Meter-Mann für eine Saison bei der TSG 1899 Hoffenheim unterschrieben und freut sich auf die neue Herausforderung und Rolle des Förderers bei "Hoffe".

Der Torjäger (111 Bundesliga- und 19 Länderspieltreffer) plant mit seiner Frau Victorija, Sohn Karlo (9) und Tochter Vivien (7) in Heidelberg zu wohnen. Zuletzt hielt sich Kuranyi beim Regionalligisten 1. FC Saarbrücken und auf der griechischen Insel Kos mit einem Privattrainer fit, ehe er überraschend zur TSG wechselte. Die RNZ traf ihn am Wochenende zum Interview.

Herr Kuranyi, wie und wann kam denn die erste Kontaktaufnahme zu Hoffenheim zustande?

Der Kontakt entstand durch meinen Berater, am Mittwoch vor einer Woche, als die TSG in Norwegen im Trainingslager war. Ich habe dann sehr intensiv mit dem Trainer und Manager telefoniert. Wir haben einerseits darüber gesprochen, was der Trainer von mir erwartet, andererseits hat man als Spieler eigene Vorstellungen. Ich hatte sofort das Gefühl, dass es gut zueinander passt. Das braucht man als Spieler.

Gab es mit Markus Gisdol früher schon Berührungspunkte, etwa beim VfB Stuttgart?

Als ich Profi beim VfB war, war er Jugendtrainer. Also kannte er mich - und hat meine Spielweise schon gesehen. Ansonsten aber sind wir uns nicht direkt begegnet.

Was genau hat für Sie beim Kraichgau-Klub gepasst?

Es gibt hier viele Talente mit großer Zukunft. Ich will mit meinem Alter und meiner Erfahrung dazu beitragen, dass wir das Team gemeinsam weiterentwickeln, Fehler auf dem Platz minimieren und stattdessen die richtigen Entscheidungen treffen. Außerdem begeistert mich bei der TSG die tolle Infrastruktur - mit der Arena in Sinsheim und dem modernen Trainingszentrum in Zuzenhausen. Es ist für jeden Fußballspieler ein Traum, sich hier fit zu halten.

Und was wussten Sie über die TSG?

Na ja, ich habe auch in Moskau viele Bundesliga-Spiele im Fernsehen gesehen, darunter waren auch ein paar Partien der TSG dabei. Außerdem habe ich einmal von Hoffenheim geträumt (lacht) …

Wirklich? Ein süßer Traum?

(Lacht) Das war kurios. Ich habe mal als VfB-Jungprofi im Dietmar-Hopp-Stadion gespielt. Da waren sehr viele Kinder und unser damaliger Trainer Felix Magath hat sich sehr darüber gefreut, dass ich lange und fleißig für sie Autogramme schrieb. Ich glaube, das hat auch Herrn Hopp begeistert. Im Traum habe ich wieder diese vielen glücklichen Kinder von Hoffenheim vor mir gesehen. Verrückt, nicht wahr!

Sie haben für ein Jahr unterschrieben. Ist eine Verlängerung denkbar?

Ich möchte mich beweisen. Ich denke, dafür passt der Ein-Jahres-Vertrag erstmal. Danach können wir weiter sehen. Ich bin eigentlich ein treuer Typ. Ich war lange beim VfB, auf Schalke und auch bei Dynamo Moskau. Ich sehe andere Topspieler wie zum Beispiel Miroslav Klose oder Luca Toni, die auch über 30 immer noch Klasse besitzen. Vielleicht ist es bei mir auch wie bei einem guten Wein: Je älter, desto besser (lacht).

Was bleibt aus Ihrer Moskauer Zeit hängen?

Die fünf Jahre in Moskau waren schön, interessant und lehrreich. Ich habe Dynamo und den Russen viel zu verdanken. Aber Sie kennen bestimmt das Kinderbuch "Oh, wie schön ist Panama". So ist es bei mir gewesen. Man spürt einfach, wenn man lange weg ist, wie wichtig die Familie, Freunde und die Heimat sind.

Kam Ihnen in Russland Ihre Mentalität und Weltoffenheit zugute?

Bestimmt. Ich habe in verschiedenen Ländern gelebt. Ich versuche immer, die Menschen kennenzulernen und mich schnell anzupassen. Viele Spieler waren bei Moskau zerstritten, es gab die russische Fraktion und die ausländische Fraktion an Spielern. Dann haben wir Mannschaftsabende veranstaltet und acht verschiedene Nationalitäten zusammengebracht. Dadurch entstand dann unser Teamspirit.

Von Moskau in die nordbadische Provinz - ein krasser Sprung?

Meine Familie lebt in Stuttgart, wir freuen uns auf Heidelberg und die Umgebung hier. Als älterer Spieler will man keine langen Fahrten mehr zum Trainingsort, will stattdessen lieber mal im Trainingszentrum Überstunden schieben. Wir werden hier leben - meine Frau hat schon eine Schule für unsere beiden Kinder ausgeguckt, da ist sie immer sehr ordentlich (lacht).

Als Sie damals die Flucht vor der deutschen Nationalmannschaft ergriffen, war das schwierig für Sie und auch eine Art von Karriereknick. Wahrscheinlich haben Sie die Aktion tausend Mal bereut. Hat Sie diese Episode im Nachhinein gestählt und vor allem reifer werden lassen?

Jeder Mensch macht Fehler. Es ist richtig, dass ich mir viele Gedanken gemacht habe. Das Ganze hat mir aber auch viel geholfen. Ich habe daraus gelernt und irgendwann beschlossen, das Beste daraus zu machen.

Auf Ihren Fußballschuhen haben Sie die Flaggen von Brasilien und Deutschland drauf. Fehlt nur Panama.

Ja, stimmt. Die Flagge von Panama hatte der Hersteller leider nicht. Für alle drei genannten Länder habe ich ein tiefes Gefühl. Wenn es darauf ankommt, bin ich aber eher für Deutschland (lacht).

Sie sind bemerkenswert heimatverbunden. Wäre eine Rückkehr zum VfB nicht naheliegend gewesen?

Es gab keinen Kontakt zum VfB. Ich habe mit Hoffenheim eine gute Entscheidung getroffen.