Sport 1: Kuranyi: Nicht gleich Führungsspieler

Sport 1: Kuranyi: Nicht gleich Führungsspieler
21.08.2015

Sport 1

München - Vor dem Spiel gegen den FC Bayern spricht Hoffenheims Neuzugang Kevin Kuranyi im SPORT1-Interview über die ersten Wochen bei 1899 und das Wiedersehen mit Manuel Neuer.

Kevin Kuranyi ist zurück in der Bundesliga. Und der 33-Jährige will es nochmal wissen. Nach fünf Jahren bei Dynamo Moskau wechselte er in der Sommerpause zu 1899 Hoffenheim. Im Kraichgau soll Kuranyi eine Führungsrolle übernehmen. Doch das ist leichter gesagt als getan. Nun steht das Heimspiel gegen den FC Bayern München an. An den Rekordmeister hat Kuranyi gute Erinnerungen: Das letzte seiner 111 Bundesliga-Tore schoss der Stürmer gegen die Münchner. Im SPORT1-Interview zeigt sich Kuranyi selbstkritisch und spricht über seinen Neustart bei 1899.

SPORT1: Herr Kuranyi, wie waren Ihre ersten Wochen im Kraichgau?

Kevin Kuranyi: Bis auf die Ergebnisse perfekt. Ich habe mich sofort wohlgefühlt, bin vom Verein, seinen Menschen, den Trainingsmöglichkeiten sehr angetan, habe für meine Familie und mich auf Anhieb eine schöne Wohnung in Heidelberg gefunden. Das passt.

SPORT1: Erst das überraschende Pokal-Aus, dann die Niederlage in Leverkusen. Hoffenheim ist nicht gut gestartet, obwohl man gegen die Werks-Elf sicher verlieren kann. Wie ist in Ihren Augen die aktuelle Lage?

Kuranyi: Das Pokal-Aus ärgert mich noch immer. Das hätte nicht sein müssen. In Leverkusen haben wir jedoch phasenweise gut gespielt - gegen einen sehr guten Gegner. Die Richtung stimmt.

SPORT1: Wie bewerten Sie Ihre eigene Leistung in den ersten zwei Pflichtspielen? Sie wirken unzufrieden...

Kuranyi: Sie werden mich nach Niederlagen nie zufrieden sehen, ganz unabhängig davon, wie meine persönliche Leistung war. Ich weiß, dass ich noch Luft nach oben habe. Aber das ich hier nicht mit 100 Prozent Vollgas starten kann, war ja von vorneherein klar. Da fehlt einfach noch die eine oder andere Woche Training mit der Mannschaft.

SPORT1: Sind Sie noch ein Fremdkörper im Hoffenheimer Team?

Kuranyi: Überhaupt nicht. Ich bin von den Jungs super aufgenommen worden. Es ist wunderbar. Ich fühle mich total wohl - und das Zusammenspiel wird immer besser. Nur die Automatismen fehlen noch. Ich hatte schon in den Gesprächen vor meiner Verpflichtung ein gutes Gefühl bei Markus Gisdol. Dieser gute erste Eindruck hat sich bestätigt.

SPORT1: In Leverkusen waren bei Ihnen körperliche Defizite unverkennbar. Wie enttäuscht sind Sie darüber?

Kuranyi: Enttäuscht? Gar nicht. Weil es völlig normal ist. Die anderen Jungs hätten ja alles falsch gemacht, wenn man ihre vier Wochen Vorsprung nicht sehen würde. Das ist keine Überraschung, das haben die Verantwortlichen und ich gewusst, und das kriegen wir in der täglichen Arbeit Stück für Stück auf die Reihe. Ich schaue selbstkritisch, wo es noch Defizite gibt und gehe diese mit dem Trainerteam gezielt an.

SPORT1: Finden Sie nicht, dass es Ihre Position schwächt, wenn Sie zu selbstkritisch sind?

Kuranyi: Nein. Im Gegenteil. Ich finde, es zeugt nicht von Stärke, keine Schwäche einzugestehen. Und ich finde es viel schwächer, wenn man nicht selbstkritisch ist.

SPORT1: Sie sollen ein Leader sein. Wie geht das, wo Sie doch selbst noch damit beschäftigt sind richtig rein zu finden? In Leverkusen hätten Sie das Maximale versucht, sagten Sie.

Kuranyi: Gute Frage. Es ist jetzt am Anfang natürlich nicht einfach, gleich die Führungsrolle auszufüllen, wenn man selbst noch nicht bei 100 Prozent ist. Das ist jetzt ein kleiner Spagat, aber das kriegen wir alle zusammen hin.

SPORT1: Andere Spieler mit 33 gehen nach Dubai und wollen nochmal Kohle scheffeln, Sie gehen nach Hoffenheim. Nichts gegen 1899, aber das ist lobenswert.

Kuranyi: Dankeschön. Aber ich finde es auch nicht verwerflich, wenn Kollegen zum Abschluss ihrer Karriere noch lukrative Angebote aus Ländern annehmen, die nicht gerade als Fußball-Nationen bekannt sind. Ich wollte jedoch unbedingt noch einmal in die Bundesliga zurück - und habe einen Klub gefunden, in dem sehr vieles passt. Ich bin zufrieden mit meiner Entscheidung.

SPORT1: Stuttgart, Schalke, Moskau, Hoffenheim - wie blicken Sie auf Ihre Karriere zurück und wo endet diese?

Kuranyi: Ich hatte bisher lauter tolle Vereine, mit denen ich mich immer voll identifizieren konnte. Ich war acht Jahre beim VfB und je fünf auf Schalke und in Moskau. Ich habe mit diesen Vereinen in der Liga meist vorne mitgespielt und war auch oft international am Ball. Ich blicke auf jede Station sehr gerne zurück. Aber wann und wo meine Karriere endet, kann ich noch nicht sagen.

SPORT1: Jetzt kommt der FC Bayern mit einem 5:0-Sieg im Rücken nach Hoffenheim. Fluch oder Segen?

Kuranyi: Weder noch. Es ist wohl das schwierigste Spiel, das man in der Bundesliga haben kann, aber auch das attraktivste. 

SPORT1: Vor welchem Bayern-Spieler haben Sie am meisten Respekt? Ist es nach der ersten Partie Douglas Costa?

Kuranyi: Ich fand den Auftritt von Douglas Costa echt stark. Aber Respekt habe ich eigentlich vor jedem Gegenspieler. Und ich freue mich riesig auf meinen Freund Manuel Neuer. Ich hoffe, wir haben einige direkte Duelle.