Goal: "Ich bin noch gut genug für die Bundesliga"

Goal: "Ich bin noch gut genug für die Bundesliga"
29.04.2016

Goal.com

Mit großen Hoffnungen kehrte Kevin Kuranyi im vergangenen Sommer nach fünf Jahren Abwesenheit in die Bundesliga zurück und schloss sich der TSG 1899 Hoffenheim an. Nach zwölf Spielen ohne Tor endet sein Engagement im Kraichgau im Sommer wohl schon wieder.

Im exklusiven Interview mit Goal spricht er über die ernüchternden letzten Monate, seinen fast sechs Jahre jüngeren Trainer Julian Nagelsmann, seine Karrierepläne, seinen Traumklub und die schönsten Momente seiner Karriere.

Wie enttäuscht sind Sie über ihre persönliche Situation bei 1899 Hoffenheim?

Kevin Kuranyi: Natürlich bin ich sehr enttäuscht darüber, dass es für mich nicht so gelaufen ist wie gewünscht. Ich hätte gerne mehr gespielt. Aber das ist Fußball. Ich stieß erst sehr spät zum Team, und am Anfang waren wir nicht erfolgreich. Deshalb gab es zwei Trainerwechsel, die die Situation für mich nicht einfacher gemacht haben. Ich versuche dennoch, mein Bestes zu geben.

Julian Nagelsmann lobte Sie zunächst in höchsten Tönen, ließ aber zuletzt auch durchklingen, Sie seien nicht für jedes System kompatibel.

Kuranyi: Ich bin ein Vollblutfußballer, der sehr viel Erfahrung hat und schon viel erlebt hat. Ich bin in der Lage, mich anzupassen und kann jedes System spielen, das habe ich auch schon bewiesen. Herr Nagelsmann macht seine Sache aber sehr gut, wie auch die Ergebnisse zeigen. Aber ich glaube schon, dass ich kompatibel bin.

Was zeichnet Ihn als Trainer aus?

Kuranyi: Erst ist zwar noch sehr jung, hat aber schon viel Erfahrung und strahlt eine natürliche Autorität aus. Er kann ein Team sehr gut einstellen. Er hat Hoffenheim besser gemacht, was sich auch an der Tabelle ablesen lässt. Sein Alter spielt keine Rolle; er ist einfach ein guter Trainer, der noch einiges erreichen wird.

Haben Sie selbst mit Julian Nagelsmann über Ihre Situation gesprochen?

Kuranyi: Wir hatten ein super Gespräch und reden auch nach jedem Spiel miteinander. Der Trainer hat mir klar gemacht, dass er mich braucht - außerhalb des Platzes, aber auch noch auf dem Platz. Darauf baue ich.

Ihr Vertrag läuft im Sommer aus. Haben Sie schon Pläne, wie es weiter geht?

Kuranyi: Nein, ich halte mir alle Optionen offen. Ich werde im Sommer genau überlegen und dann eine Entscheidung treffen. Natürlich ist es eine sehr schwierige Situation, denn ich will endlich wieder spielen und muss deshalb genau abwägen, was ich mache.

Trauen Sie sich denn ein erneutes Engagement in der Bundesliga zu?

Kuranyi: Ich bin immer noch gut genug für die Bundesliga! Davon bin ich überzeugt. Aber alles ist möglich. Ich muss da auch auf meine Familie achten und mit ihr absprechen, was am meisten Sinn für mich macht.

Gibt es denn ein Land, das sie im Herbst Ihrer Karriere noch reizen würden?

Kuranyi: Auf jeden Fall meine Heimat Brasilien. Einmal für Flamengo zu spielen, das wäre ein Traum!

Im Ausland haben Sie bereits Erfahrungen gesammelt. Wie bewerten Sie im Nachhinein ihre Zeit bei Dynamo Moskau in Russland?

Kuranyi: Es war eine tolle Erfahrung. Wir waren sehr erfolgreich und hatten eine super Zeit zusammen. Es war auch gar nicht gefährlich, wie oft behauptet wurde. Natürlich war es trotzdem komisch, dass die Leute mit Waffen rumliefen. Das war aber nur für die Sicherheit der Menschen, also völlig in Ordnung. Das Land ist unfassbar groß, da sind wir zu Auswärtsspielen teilweise stundenlang geflogen. Zuhause dagegen ist man immer mit dem Auto gefahren, weil selbst der Supermarkt sehr weit weg war. Es gibt unglaublich viele Autos in Russland und jede Menge Stau. (lacht)

Bereuen Sie in Ihrer Karriere etwas?

Kuranyi: Gar nicht. Ich bereue nichts! Natürlich macht man gewisse Fehler in seiner Karriere, aber aus denen lernt man dann auch und entwickelt sich weiter. So läuft der Fußball, Höhen und Tiefen gehören dazu und können nicht verhindert werden. Ich bin sehr glücklich so, wie es gelaufen ist.

Was war der schönste Moment Ihrer Karriere?

Kuranyi: Da gab es unglaublich viele. Ganz besonders war natürlich der Sieg gegen Manchester United (2003, 2:1 mit dem VfB Stuttgart, Kuranyi traf, Anm. d. Red.). Das Spiel gegen den FC Porto im Elfmeterschießen war auch eine unvergessliche Erfahrung (2008, 4:2 n. E. Mit dem FC Schalke 04, Anm. d. Red.). Und natürlich das EM-Finale 2008 erlebt zu haben. Solche Erlebnisse kann einem keiner mehr nehmen.

Würden Sie aus heutiger Sicht etwas anders machen?

Kuranyi: Wie es damals beim DFB-Team gelaufen ist, war sicherlich unglücklich. Da würde ich heute reifer reagieren und das Gespräch mit dem Trainer suchen. Aber wie gesagt: Fußballer sind junge Menschen und junge Menschen machen Fehler. Das ist ganz normal.

Wie sehr ärgert Sie es, dass Sie es mit Ihrer Klasse und Qualität nicht auf mehr Länderspiele gebracht haben?

Kuranyi: Ich bin selbst schuld daran. Es ist aber nicht so, dass mich das heute noch groß beschäftigt. Denn Dinge, die sich nicht ändern lassen, spielen für mich keine Rolle mehr.

Haben Sie schon Ideen für Ihre Zeit nach der Karriere?

Kuranyi: Ich habe viele Ideen. Ich würde gerne im Fußballgeschäft bleiben. In welcher Form, werde ich dann sehen. Ich könnte mir aber durchaus vorstellen, Trainer zu werden und mit jungen Spielern zu arbeiten. Ich glaube, ich hätte dafür ein ganz gutes Händchen.